Optimismus ist eine kraftvolle Lebenseinstellung, die uns hilft, Herausforderungen zu meistern und Chancen zu erkennen. Doch was bedeutet es wirklich, optimistisch zu sein, und wie können wir diese positive Denkweise im Alltag kultivieren?
Marion Müller, 19.12.2023
Die Art und Weise, wie wir die Welt betrachten ist entscheidend für unser Wohlbefinden. Optimismus und ein positives Mindset sind keine bloßen Schlagworte; sie ermöglichen ein erfülltes Leben. Dieser Beitrag wird tief in die Welt des Optimismus eintauchen, die Abgrenzung von gesundem Optimismus zu «Toxic Positivity» erläutern, die Unterschiede zwischen einem festen (fixed) und einem wachstumsorientierten (growth) Mindset beleuchten und Strategien vorstellen, um aktiv eine positive Sichtweise zu kultivieren.
Es ist vielleicht ungewohnt, einen Blogbeitrag mit einer Negativ-Definition zu starten. Dennoch ist es mir wichtig, diese zu Beginn vorzunehmen, da die Haltung «wenn es dir schlecht geht, dann ändere doch einfach dein Mindset» doch sehr verbreitet ist und ich mich bewusst von dieser abgrenzen möchte. Sie impliziert, dass man in jedem Falle selbst Schuld ist, wenn man eine schwierige Phase durchläuft und dabei schmerzhafte Emotionen erlebt. Ich nehme dazu folgende Stellung ein: Erstens gehört es dazu, dass man schwierige und schmerzhafte Phasen und Erlebnisse im Leben hat und dabei auch Emotionen wie Trauer, Wut oder Angst empfindet. Du sollst dich dann nicht auch noch dafür fertig machen, dass du es nicht schaffst in diesen Momenten positiv zu denken. Zweitens liegen deinem Schmerz manchmal auch tiefe unbewusste Muster zugrunde, denen du zuerst deine Aufmerksamkeit schenken solltest, bevor du «einfach» zu einem positiven Mindset wechselst. Dies kann ein sehr schwieriger, aber heilsamer Prozess sein und eine nachhaltigere Wirkung haben, als wenn du dich mit positiven Affirmationen überschüttest. Es ist wichtig zu betonen, dass der Optimismus, den ich meine, nicht bedeuten sollte, positive Emotionen und Gedanken um jeden Preis aufrechtzuerhalten. Gesunder Optimismus erkennt Herausforderungen an, ohne die Realität zu verzerren. Auf der anderen Seite neigt "Toxic Positivity" dazu, negative Emotionen zu unterdrücken und unrealistisch positive Denkmuster zu fördern. Ein ausgewogenes Verständnis bedeutet, sowohl die positiven als auch die negativen Aspekte des Lebens zu akzeptieren, ohne dabei den Blick für die Realität zu verlieren. Es lohnt sich dabei auf jeden Fall, in Phasen, in denen es uns mehrheitlich gut geht, eine positive Einstellung zu trainieren. Eine positive Sichtweise erleichtert den Alltag und führt zu einer höheren Lebenszufriedenheit. Aber es bedeutet eben nicht, dass du schmerzhafte Phasen durch eine positive Einstellung komplett vermeiden kannst – oder solltest.
Ein festes Mindset und ein Wachstums-Mindset repräsentieren zwei grundlegend verschiedene Denkweisen, die einen erheblichen Einfluss auf unsere Einstellungen, Handlungen und letztendlich auf unseren Lebensweg haben. Hier sind die wesentlichen Unterschiede zwischen einer Person mit einem festen Mindset (FM) und einer Person mit einem wachstumsorientierten Mindset (WM):
Einstellung gegenüber Fähigkeiten:
FM: «Meine Fähigkeiten, Talente und Intelligenz sind von Natur aus festgelegt. Ich wurde mit den Ressourcen, die mir zur Verfügung stehen, geboren und kann nicht viel daran ändern.»
WM: «Meine Fähigkeiten, Talente und Intelligenz können durch Anstrengung, Lernen und Beharrlichkeit entwickelt werden. Das Leben besteht aus persönlichem Wachstum.»
Einstellung gegenüber Herausforderungen:
FM: «Ich vermeide Herausforderungen lieber, da sie für mich Schwierigkeiten darstellen und ich Misserfolge erleben könnte. Diese Misserfolge könnten meine bestehenden Fähigkeiten in Frage stellen. Ich bleibe lieber in meinem gewohnten Umfeld und zeige meine bestehenden Fähigkeiten, ohne ein Risiko einzugehen.»
WM: «Ich mag Herausforderungen, da sie für mich eine Gelegenheit zum Wachsen und Lernen bedeuten. Ich gehe offen auf neue Situationen zu und sehe Schwierigkeiten als Chancen, die mich persönlich weiterbringen.»
Einstellung gegenüber Fehlern:
FM: «Fehler bedeuten, dass ich versagt habe und unfähig bin. Da Fehler für mich eine Bedrohung darstellen, bleibe ich lieber in meiner Komfortzone.»
WM: «Fehler bedeuten, dass ich im entsprechenden Feld noch mehr Lernen kann. Sie gehören zum Lernprozess dazu und bieten eine Gelegenheit zur Reflexion und Verbesserung. Fehler bedeuten nicht, dass ich als Person unfähig bin.»
Einstellung gegenüber Anstrengungen:
FM: «Anstrengung ist nur dann erforderlich, wenn ich nicht über ausreichende Fähigkeiten verfüge. Wenn ich mich anstrengen muss, dann bringe ich nicht die notwendigen Voraussetzungen mit, die es für die Tätigkeit benötigt.»
WM: «Anstrengung ist notwendig, um mich weiterzuentwickeln und meine Fähigkeiten auszubauen. Die Anstrengung gehört zum Fortschritt dazu.»
Einstellung gegenüber Kritik:
FM: «Kritik bedeutet, dass ich als Person nicht gut bin und bedroht meine Kompetenzen.»
WM: «Kritik bedeutet, dass ich mich in diesem Feld weiterentwickeln kann und hilft mir, meine Fähigkeiten zu erweitern und vertiefen.»
Die Unterschiede zwischen einem festen und einem wachstumsorientierten Mindset verdeutlichen, wie die Denkweise einen fundamentalen Einfluss auf die Art und Weise hat, wie wir uns Herausforderungen nähern, mit Misserfolgen umgehen und unsere eigenen Potenziale entfalten.
Die Gedanken, die wir hegen, haben die bemerkenswerte Fähigkeit, unsere Realität zu formen. Ein festsitzendes Mindset kann zu selbsterfüllenden Prophezeiungen führen, indem es uns in unseren Grenzen hält und unsere Fähigkeiten begrenzt. Im Gegensatz dazu eröffnet ein wachstumsorientiertes Mindset die Möglichkeit, über sich selbst hinauszuwachsen und positive Veränderungen zu bewirken. Unsere Überzeugungen haben die Macht, unser Handeln zu lenken, und eine bewusste Kontrolle über unsere Denkmuster kann den Weg zu einem erfüllteren Leben ebnen.
Unser soziales Umfeld spielt eine zentrale Rolle bei der Formung unserer Gedankenmuster. Der Austausch mit Menschen, die Unterstützung bieten und Verständnis zeigen, kann dazu beitragen, ein optimistisches Mindset zu stärken. Andererseits können negative Einflüsse unsere Sichtweise trüben und unser Wachstum hemmen. Achte auf die Art und Weise, wie Menschen um dich herum reden: Beklagen sie sich oft über banale Alltagsgeschehnisse? Oder haben sie den Blick mehrheitlich auf Positives gerichtet und drücken ihre Freude aus? Das Gehirn des Menschen ist darauf ausgelegt, ständig Probleme zu suchen. Deshalb ist es natürlich, ab und zu negativen Gedanken zu verfallen. Auch wenn sich Menschen in schwierigen Lebensphasen befinden, ist es ebenfalls logisch, dass negative Gedanken vorherrschen. Du musst und solltest deswegen nicht gleich jemandem den Rücken zukehren. Im Gegenteil, in solchen Phasen kannst du jemanden auch mit positiven Fragen dazu anregen, das Schöne am Leben wiederzuentdecken. Handelt es sich allerdings um wiederkehrende, negative Gedankensmuster, die dich ebenfalls in eine negative Stimmung versetzen, solltest du entweder das Gespräch mit der Person suchen oder in Erwägung ziehen dich zu distanzieren. Dies vor Allem dann, wenn jemand ständig andere Personen abwertet oder sehr viel im Alltag über kleine Dinge herumnörgelt.
Eine positive Herangehensweise im Leben und ein wachstumsorientiertes Mindset können trainiert werden. Nachfolgend einige Strategien dazu:
Dankbarkeitstagebuch führen: Regelmäßige Reflexion über Dinge, für die du dankbar bist, fördert nicht nur positive Gedanken, sondern trägt auch zu einem insgesamt erfüllten Leben bei.
Suche nach Ausnahmen: Das nächste Mal, wenn du negative Gedanken über eine Situation oder über einen Menschen hast, überlege dir, wann es schon einmal anders war. Wenn du beispielsweise denkst: «Ich schaffe es nie mit der Arbeit zu beginnen und schiebe sie immer auf.» Versuche dir zu überlegen, wann du es schon einmal geschafft hast. Dann merkst du, dass du es eigentlich kannst. Daraufhin kannst du dir überlegen was dir damals geholfen hat.
Fokus auf Stärken: Statt sich auf Schwächen zu konzentrieren, lenke den Fokus auf die Stärken anderer und ermutige positive Gespräche über diese Stärken. Versuche, für jeden negativen Satz oder Gedanken über jemanden fünf positive Eigenschaften dieser Person aufzuzählen (ja das gilt auch bei Gedanken über dich selbst 😊). Diese Praxis fördert nicht nur Optimismus, sondern auch eine unterstützende Gemeinschaft und eine Portion Selbstvertrauen
Die Macht unserer Gedanken gestaltet nicht nur unsere Einstellung, sondern auch unsere Lebensqualität. Durch die Förderung eines wachstumsorientierten Mindsets, die Vermeidung von "Toxic Positivity" und die bewusste Kultivierung positiver Denkmuster können wir die transformative Reise zu einem erfüllten und optimistischen Leben antreten. Erkenne die Kraft deiner Gedanken, lenke sie bewusst und sei bereit für eine positive Veränderung auf dem Weg zu einem erfüllten und optimistischen Leben.
Weiterführende Links:
Huberman Lab Podcast über das Wachstums-Mindset:
Bücher von Martin Seligman (Pionier der positiven Psychologie):
https://www.exlibris.ch/de/buecher-buch/deutschsprachige-buecher/martin-e-p-seligman/der-gluecks-faktor/id/9783404605484/
https://www.amazon.de/Pessimisten-k%C3%BCsst-man-nicht-Optimismus/dp/3426775743